Für die Pflege ist ein funktionierender Informationsfluss von immenser Bedeutung. Übergaben sind ein wichtiges Instrument zur sicheren Informationsweitergabe, zur Qualitätssicherung und zur Optimierung des Pflegeprozesses - soweit die Theorie.
Ein übergeordnetes Ziel der Übergabe besteht darin, die pflegerische Versorgung kontinuierlich und lückenlos sicherzustellen. Dieses Ziel kann in mehrere Teilziele aufgeschlüsselt werden:
Es gibt drei Formen der Dienstübergabe in der Pflege. Die „mündliche Übergabe“, die „schriftliche (= stumme) Übergabe“ und die „Übergabe vor Ort“ bzw. „am Bett“. Jede Form hat isoliert betrachtet ihre Vor- und Nachteile. Einige Pflegeteams wenden eine Kombination an – sie besprechen beispielsweise die Informationen unter Nutzung der schriftlichen Dokumentation. Doch das Kombinieren allein löst nicht automatisch die Kernprobleme, die bei Übergaben auftreten.
1. Mündliche Übergabe
Während der mündlichen Übergabe werden die wichtigsten Informationen zu den Klienten des letzten Dienstes übermittelt. Es handelt es sich um ein direktes Gespräch zwischen den Beteiligten mit dem Ziel, die wichtigsten Informationen über die aktuelle Situation der Klienten zu vermitteln. In den meisten stationären Pflegehäusern setzten sich die Pflegenden der einen Schicht mit den Pflegenden der nächsten Schicht zusammen. In der ambulanten Pflege kommt es weniger geregelt zur mündlichen Übergabe, oft wird sie sogar über das Telefon abgewickelt.
Bei der stummen Dienstübergabe werden alle Informationen der Klientenakte oder dem Übergabebuch entnommen. Es gibt keine Rücksprache mit dem vorherigen Dienst. Man ist somit vollständig auf die Dokumentation der übergebenden Person angewiesen. Die schriftliche Übergabe ist prädestiniert für ambulante Pflegedienste. Als Vorbereitung auf die mündliche Übergabe oder im Sinne der Dokumentation ist sie allerdings in jedem Fall nützlich, ungeachtet des Pflegebereichs oder der Organisationsform.
Bei dieser Übergabeform wird die Übergabe am Bett des Klienten bzw. in dessen Anwesenheit abgewickelt. Klienten und/oder Angehörige werden also an der Übergabe beteiligt. Die Übergabe vor Ort wird vorwiegend in stationären Pflegeheimen durchgeführt. Im ambulanten Bereich kommt diese Form seltener zur Anwendung, sie bietet sich hier jedoch für Übergaben mit Auszubildenden an.
Pflegende wissen: Kommunikationsfehler können in ihrem Beruf direkte Auswirkungen auf die Gesundheit von Klienten oder Bewohner haben. Das zeigen auch Studien und Statistiken: Laut der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e.V. beruhen ca. 80 Prozent der schwerwiegenden Fehler im weiteren Behandlungsverlauf auf einer fehlerhaften und unvollständigen Kommunikation. Ja, eine Übergabe braucht Rahmenbedingungen. Um Störungen zu reduzieren, bedarf es einiger Grundregeln, wovon die Wesentlichsten im Folgenden vorgestellt werden.
Wenn das gesamte Team für die Wichtigkeit einer Übergabe sensibilisiert wurde und diese als zentraler Bestandteil der Behandlungsprozesse “ernst genommen” wird, ist die Grundlage für eine seriöse, professionelle Handhabung der Übergabe geschaffen. Zu einer Übergabe gehören immer mindestens ein Sender sowie ein Empfänger und allen Beteiligten muss der Stellenwert der Übergabe bewusst sein, damit diese strukturiert und ressourcenschonend ablaufen kann.
Warum ist es so wichtig Professionalität zu waren? Ist zu viel Seriosität nicht schlecht für das Arbeitsklima?
Für eine störungsfreie Übergabe ist Sachlichkeit unabdingbar. Privatgespräche am Telefon oder unter KollegInnen sollten unbedingt auf die "Raucherecke" oder den Pausenraum ausgelagert werden. Wer das nicht beachtet, zieht die Übergabe auf Kosten aller KollegInnen in die Länge. Auch Sympathien oder Aversionen dürfen sich auf die Übergabe nicht auswirken oder diese beeinträchtigen. Sollten Konflikte bestehen, zu denen es Klärungsbedarf gibt, kann dies nach der Übergabe erfolgen.
Professionelle Sprache und Auftreten sind nicht nur wichtige Signale für den Gegenüber sondern gleichzeitig auch für Außenstehende, die sich in der Nähe aufhalten. Nicht immer gibt es die Möglichkeit, sich in einen ungestörten Raum zurückzuziehen. Wenn Außenstehende gleich mitbekommen, dass eine "seriöse" Übernahme durchgeführt wird, dient das nicht nur als ein gutes Beispiel für die eigenen Übergaben, sondern es stiftet zu Rücksichtnahme und weniger störendem Verhalten an.
Bei jeder Dienstübergabe schwingt das Risiko für eine unvollständige oder fehlerhafte Weitergabe von Informationen mit. Man wird dieses Risiko nie gänzlich ausräumen können - Menschen machen eben Fehler. Das Risiko für Störungen sowie die Fehlerquote können jedoch minimiert werden.
Wenn Sie sich im Team bei den folgenden Kriterien auf ein einheitliches Vorgehen einigen, sind die Eckpfeiler für eine geregelte Übergabe gesetzt:
Zielführend ist eine Übergabe dann, wenn sie die geringen zeitlichen und personellen Ressourcen für diese Aufgabe berücksichtigt und dennoch alle notwendigen Informationen enthält. Zur Unzufriedenheit der Pflegenden führen im Regelfall viele Störungen, Zeitmangel und der ungenügende Informationsaustausch. Daher muss die übergebende Person unbedingt dringende und wichtige Informationen (=relevante Informationen) übermitteln.
Umfang
Eine weit verbreitete Daumenregel für eine gute und ausführliche Dokumentation lautet: „Was nicht dokumentiert ist, hat nicht stattgefunden.“ Dass alle Fakten enthalten sind, kann allerdings sowohl mit einem sehr kryptischen Text, bestehend aus 3-Wort-Sätzen und Abkürzungen, als auch mit einem ausgeschmückten "Roman" erreicht werden. Es ist ratsam, den Kandidaten dieser Extreme also besser die folgende Faustregel anzutrainieren: „So umfassend wie nötig, so knapp wie möglich.“
Dauer
Die oben genannte Faustregel ist auch ein guter Maßstab dafür, wie viel Zeit man sich für die mündliche Übergabe nehmen sollte. Während an den einen Tagen bereits nach 15 Minuten das Wichtige gesagt ist, gibt es auch ereignisreiche Tage, wo die Übergabe schon die dreifache Zeit beansprucht. Mit einer guten Inhaltsstruktur ist die schriftliche Übergabe wesentlich weniger zeitaufwendig.
Bei der mündlichen Übergabe sollte versucht werden, eine Dauer von 30 Minuten nicht zu überschreiten. Am wichtigsten ist es, dass man den Fokus nicht verliert, sonst wird es dem Empfänger schwerfallen, das Wesentliche herauszufiltern und zu verinnerlichen.
Jede Übergabe sollte drei Felder abdecken. Zum einen a) Inhalte, die den Klienten betreffen, zum anderen b) Inhalte, die das Organisatorische betreffen und schließlich c) Inhalte, die den einzelnen Mitarbeiter oder das Pflegeteam betreffen.
Doch wenn eine Übergabestruktur festgelegt wurde, sollte sie nicht starr sein. Fragen Sie regelmäßig bei Teambesprechungen nach, ob die Übergabestruktur für alle Beteiligten klar ist und ob es Verbesserungsvorschläge oder Unsicherheiten gibt. So gelingt es auch, Neuzugänge immer wieder zu den wichtigsten Punkten der Übergabestruktur abzuholen.
Bei der Priorisierung und Reihenfolge der Inhalte muss jede Pflegeeinrichtung Ihre eigenen Schwerpunkte legen. Das kann je Pflegebereich und Klientel stark variieren. In erster Linie soll eine Pflegekraft mithilfe der Übergabe auf den nächsten Dienst vorbereitet werden. Klientenbezogene Inhalte d.h. medizinische und pflegerische Informationen haben also immer Priorität.
Je mehr Struktur die Übergabe hat, desto schneller können die wichtigsten Informationen übergeben werden. Bei der Erarbeitung der schriftlichen Übergabe können sich die Pflegekräfte anhand der vorgegebenen Informationsstruktur schnell orientieren und rückversichern, dass alle relevanten - und nur die relevanten - Informationen enthalten sind.
Definieren Sie wichtige Fragestellungen an denen sich die übergebende Person entlanghangeln kann:
Was ist die Vorgeschichte des betreffenden Pflegeempfängers?
Zimmernummer, Name, Alter, Diagnose und Therapie (Klientenprofil)
Zusatzinformationen: Wo benötigt der Klient pflegerische Hilfe? Haben hier Veränderungen stattgefunden?
…
Welche Punkte erfordern aktuell besondere Aufmerksamkeit?
Ist eine spezielle Therapie nötig?
Hat sich die Medikation geändert?
Haben sich Pflegeprobleme oder sonstige Komplikationen ereignet?
Gibt es Veränderungen des physischen und psychischen Zustands?
…
Welche Maßnahmen sind durchzuführen?
Routinen und anstehende Termine
Versorgungsprozess (Verlegung, Bettruhe, etc.)
Koordinierung mit Angehörigen? Worauf legen sie wert?
…
Eine ähnliche Struktur gibt das SBAR-Schema vor, welches viele Pflegende auch in ihrer Ausbildung kennen gelernt haben. Es hilft dabei, sich auf das Wesentliche und Wichtige zu beschränken:
Situation: Was ist passiert? (Momentane Situation)
Background: Was ist die Vorgeschichte?
Assessment: Was ist das vermutliche Problem? Was hat sich während des Aufenthaltes oder der Therapie geändert?
Recommendation: Was ist zu tun? (z.B. Angehörigengespräche, Verlegung, ...)
Wichtiger noch als das Schema selbst ist es jedoch, sich im Team auf eine einheitliche Inhaltsstruktur zu einigen, von dem alle überzeugt sind und an das sich alle halten. Erst dann wird die strukturierte Informationsweitergabe zu einem mächtigen Werkzeug und wird sich effektiv auf die Übergabequalität auswirken.
Eine saubere Pflegedokumentation ist immer wieder auch bereichsübergreifend wichtig. Beispielsweise sollte sich die Verwaltung eigenständig Informationen zum aktuellen Stand einholen können, um Fragen von Angehörigen oder Betreuern direkt beantworten zu können. Andernfalls müsste sie das bei der entsprechenden Pflegekraft in Erfahrung bringen - eine unnötige Zeitverschwendung.
Wenn Gruppen- oder mündliche Übergaben nicht regelmäßig stattfinden können, ist es umso wichtiger, dass die Informationen nachvollziehbar abgelegt werden. Feste Übergaben, wie sie etwa in einem Alten- und Pflegeheim mehrmals täglich stattfinden, kann es so in der ambulanten Pflege nicht geben. Die Touren beginnen und enden zu unterschiedlichen Zeiten. Gerade hier ist ein Standardvorgehen entscheidend, damit auch die unidirektionale Übergabe stets reibungslos und nachhaltig abläuft.
Nutzen Sie eine Plattform, um ein verändertes Übergabekonzept einfacher und effektiver zu etablieren. Wenn Themen wie „professionelle Sprache und Auftreten“, „unsere neue Inhaltsstruktur“ usw. in einer oder mehreren Teambesprechungen behandelt werden, wird damit erfahrungsgemäß kein nachhaltiger Effekt erzielt.
Indem Sie aber die neuen Übergaberituale und Rahmenbedingen auf eine Plattform übertragen, welche die für eine ganzheitliche Übergabe benötigten Funktionalitäten bietet, machen Sie diese Themen für alle greifbar. Mittels Beispielen und Arbeitsabläufen innerhalb der Plattform kann viel leichter ein praktischer Bezug hergestellt werden. Das Team wurde somit nicht nur mit den neuen "Regeln" vertraut gemacht sondern hat auch deren Sinnhaftigkeit ergründet.
Wird die Übergabe bei der Vielzahl von EDV Pflegeplanungs- und Dokumentationssystemen noch benötigt?
Es ist sinnvoll sich mit dem Thema zu beschäftigen, da Pflegende meist unzufrieden mit den Übergaben sind und diese nicht standardisiert ablaufen. Das führt wiederum zu einer sehr zeit- und kostenintensiven Tätigkeit. Dabei ist es so wichtig, die wenigen zeitlichen Ressourcen des meist unterbesetzten Pflegepersonals effektiv zu nutzen und nicht unnötig zu strapazieren.
Sollten Sie bemerken, dass im Hinblick auf Übergaben Unzufriedenheit im Team herrscht, sollten Sie Feedback einholen. Bietet die Pflegesoftware überhaupt einen adäquaten Workaround für Übergaben und Übergabedokumentation? Ein Indikator dafür, dass dem nicht so ist, wäre die Tatsache, dass Ihre Pflegekräfte zusätzlich auf weitere Mittel wie Papierzettel, Telefon, WhatsApp, FaceTime, Teams, Google Drive, E-Mail o.Ä. zurückgreifen müssen, um Nachrichten und Dateien auszutauschen. Von diesen zusätzlichen Kommunikationswegen ist aus vielen Gründen abzuraten.
Wenn die Pflegekraft über eine Plattform unkompliziert und sauber dokumentieren kann und zum anderen die Informationen schnell abgerufen werden können, ergeben sich folgende Potenziale:
Für einen reibungslosen Versorgungsprozess und einen strukturierten Ablauf im Arbeitsalltag ist eine geregelte Informationsweitergabe extrem wichtig. Mit diesem Artikel haben wir aufgezeigt, worauf es bei der Dienstübergabe in der Pflege ankommt, welche Bedingungen geschaffen werden sollten und warum es sinnvoll ist, einen Standard für eine strukturierte Übergabe einzuführen.
Wir hoffen, Sie konnten mit diesem Leitfaden ein paar Impulse und Parameter für Ihren Pflegealltag mitnehmen, mit denen Sie und Ihr Team das bestehende Übergabekonzept stärker vorantreiben oder gar überdenken und neu ausrichten können.
Sie sind noch auf der Suche nach einer geeigneten Funktion oder Plattform? Vereinbaren Sie gerne einen Termin mit einem unserer Experten und wir zeigen Ihnen eine Möglichkeit, wie Sie Ihrem Team die Übergabe erleichtern und alle Informationen sicher, zentral und nachvollziehbar organisieren können.